
Katalin Ladik wurde 1942 in Novi Sad, Jugoslawien, geboren. Aufgewachsen in einem multiethnischen, mehrsprachigen und multikulturellen Umfeld, wurde ihre schöpferische Phantasie in der Literatur (Lyrik und Belletristik), in der bildenden Kunst (visuelle Werke, visuelle Partituren), in der Lautpoesie, in Hörspielen und in Performances durch die vielfältige Kulturlandschaft und die facettenreiche Volkstradition beflügelt. Sie hat siebzehn Gedichtbände in ungarischer Sprache veröffentlicht und zwölf Gedichtbände von ihr wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Ihre visuellen Poesie-Collagen befinden sich im Museum of Modern Art New York; in der Tate Gallery, London; in der Sammlung Kontakt der Ersten Gruppe, Wien; im MACBA, Barcelona; im Museum Sztuki, Lodz; im Ludwig Museum, Budapest; in der Sammlung Verbund, Wien; in der Zeitgenössischen Sammlung der Ungarischen Nationalgalerie; in der acb Galerie in Budapest. International entdeckt und gewürdigt wurde sie beim International Festival of Sound Poetry in Amsterdam, 1977; Centre Pompidou, Paris, 1980; International Sound Poetry Festival, New York City und Baltimore, 1980; documenta 14 Kassel, Athen (2017).
Katalin Ladik: drei eier
Von Florian Neuner
Katalin Ladik steht seit Jahrzehnten mit großem Stimm- und Körpereinsatz als Interpretin ihrer auditiven Poesie auf der Bühne. Schon ihrem ersten, 1969 erschienenen Gedichtband Ballada az ezüstbicikliről (Ballade vom silbernen Fahrrad) lag eine Schallplatte bei. Es war dies der Versuch, zur Vermittlung ihrer poetischen Botschaft eine Art »Metasprache« zu entwickeln, denn auf Übersetzer konnte die Angehörige der ungarischen Minderheit im damaligen Jugoslawien nicht hoffen. Ausgehend von graphischen Partituren oder (auf dem Papier) konventionell wirkenden Gedichten gibt Ladik fulminante Sprechkonzerte, in denen auch Improvisation Raum hat. So ist es für sie ein ungewöhnlicher Schritt, ein Stück gleichsam aus der Hand zu geben und für Interpreten zu notieren.drei eier besteht aus drei Abschnitten, in denen das stark reduzierte sprachliche Material aus je einer der drei Sprachen Deutsch, Serbisch und Ungarisch gewonnen ist: kurze Worte, Silben, Ausrufe, die sich ständig wiederholen.

Ladik, die auch als Schauspielerin auftritt, führt bei dieser Sprechoper Regie und animiert das Ensemble dazu, sich ungewohnt weit (und über das in der Partitur Notierte hinausgehend) auf theatralische Gesten einzulassen – eine Gratwanderung für die Nicht-Schauspieler. In ihrem Begleittext schreibt sie, dass sie die drei Sprechstimmen als »Charaktere« konzipiert hat: Die weibliche Stimme ist » neugierig, enthusiastisch, sensibel und extrovertiert« angelegt, die hohe Männerstimme denkt sie sich als die eines »verständnisvollen und gerechten« Lehrers oder Richters, der »seine starken Emotionen« nicht immer kontrollieren kann, wohingegen die tiefe männliche Stimme für Sarkasmus und Ironie steht. Das Ei ist natürlich symbolisch aufgeladen, für Ladik eine »humorvolle Metapher«. Marta Dziewańska schreibt über die intermedial tätige Künstlerin: »Bewegung ist die Grundlage von Katalin Ladiks Werk. Alle Arbeiten der Künstlerin sind in Bewegung, im Fluss, im Wandel begriffen; Imitation, Repräsentation und Narrative fehlen völlig. Selbst die Richtung der Bewegung bleibt offen (jede Vorgabe käme einer Fessel gleich), sie verändert sich dynamisch und bezwingt alles auf ihrem Weg.« In ihren drei eiern überträgt sie diese Energie auf die sprechbohrer.